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Thema: Fernreisen

Ein Bericht von einer Reise durch Georgien

17.8.2010
Altstadt Tiflis - Foto: Dmitry Gerasimov - Public DomainNach dem Abflug am Vorabend in Hamburg um 20:10 und Zwischenstopp in Wien landen wir holprig um 3:55 morgens in Tbilisi (Tiflis). Das Erste was auffällt ist Militär: Deutsche, Franzosen, Holländer. Ein Bundeswehroffizier klärt uns auf, was die Deutschen und anderen europäischen Nationen im Rahmen des OSZE-Mandats in Georgien machen. Heute handelt sich um eine unangekündigte Inspektion der russischen und georgischen Truppenstärke. Der Offizier reist mit blauem Diplomatenpass und benötigt deutlich länger an der Passkontorolle als wir. Der Fahrer der Agentur in der wir unser Appartement für zwei Tage gebucht haben, erwartet uns mit einem Schild in der Hand.

Friedensplatz mit Rathaus - Foto: WP-User: Kober - Public DomainZu fünft in einem durchgesessenen Moskwitsch Typ 412 ruckeln wir in die Stadt. Es ist mittlerweile 5:00 Uhr morgens, noch dunkel aber bereits 32°C heiß. Es ist stickig. Die alten Alleen, das Rathaus, der Friedensplatz und das Paliaschwili-Theater sind prachtvoll beleuchtet. Wir halten an einem kleinen Nachtmarkt auf dem Rustaweli-Bvd. und kaufen Bier und Wasser. In dem Markt sind neben der Kassiererin noch zwei Teenies, die mit Holzschwert und Schutzschild bewaffnet, miteinander kämpfen. Wir haben noch keine Georgischen Lira und versuchen mit Dollar oder Euro zu bezahlen, was uns aber erst gelingt, nachdem ein fachkundiger Nachbar angerufen wird, der kurz darauf kommt und alles regelt. Überraschenderweise wünscht man uns dann „Alles Gute !“ und winkt lachend mit den Holzschwertern.

Es wird langsam hell und wir können nicht ein einziges Straßenschild lesen. Nur auf den größeren Prospekten und Boulevards sind die Straßennamen meist in georgisch und in lateinischen Schrift angegeben. Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir unser Appartement in der Kakelidze Str. Das Treppenhaus erinnert mich an St. Petersburg oder Moskau: Totaler Zerfall. Es fehlen Steine in der Wand, die Elektrik ist auf wundersame Weise verdrahtet und alles ist irgendwie ziemlich rottig. Die Wohnung hingegen ist top. Supermodern, ein riesiges Wohnzimmer mit Kronleuchter, zwei große Schlafzimmer, Bad mit Yakuzi, voll eingerichtete Küche und ein großer Balkon. Die Vermieterin erklärt uns auf Russisch alles Mögliche, wir zahlen 300USD für die drei Tage. Eine Quittung gibt’s nicht. Sie bräuchte keinen „Vertrag“. Egal, wir eigentlich auch nicht. Wir fallen erschöpft aufs Sofa und gehen dann kurz in die  mittlerweile aufgewachte Stadt, ziehen georgische Lari aus dem Automaten und besorgen ein paar Sachen zum Frühstücken. Dann zurück, schlafen. Als wir um 11:00 wieder aufwachen ist es unerträglich heiß und staubig. Wir gehen den Rustaweli-Bvd. runter bis zum Rathaus in der Puschkini.

Um 15:00 sind wir mit Sandro, einem Ethnologie-Stundenten aus Tbilisi verabredet. Sandro ist der Sohn einer Bekannten aus Hamburg. Am Anfang etwas reserviert taut er langsam auf und erklärt uns in sehr gutem Deutsch vieles über die Stadt, die Ethnien, die Konflikte und die Geschichte Tbilisis und Georgiens. Wir schauen uns in der Altstadt die Dschwarimama-Kirche und die Synagoge  an. Ein wunderschöner Blick über die Stadt. Leider wird auch das Ausmaß an Verfall von hier oben besonders deutlich. Insbesondere die Bausubstanz sämtlicher religiösen Bauwerke ist  erbärmlich, da der lange russische Hegemonialanspruch und dessen weltliche Ausrichtung diese als nicht unterstützenswert betrachtete. In der Tzerbda-Str. wird ein Feuertempel restauriert. Auf dem Weg zu den Schwefelbädern, von denen Tbilisi einige hat, betteln uns Zigeunerkinder an.

Wir überqueren den Fluss, der durch die Mitte Tbilisis läuft, den „Mtkwari“ und besichtigen die „Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit“, die erst Ende 2004 geweiht worden. Die orthodoxe Kirche ist nicht nur wegen derer Lage über der Stadt beeindruckend. Wir beobachten eine Weihung der besonderen Art: Eine Frau mit Baby auf dem Arm steht einem Priester gegenüber, der das Baby offenbar segnet. Die beiden trennt nur die Türschwelle. Dann überschreitet die Mutter mit dem Baby die Schwelle in die Kirche.

Wir nehmen ein Taxi, setzten Sandro unterwegs ab und fahren selbst weiter. Allerdings ganz woanders hin, als wir hinwollten. Wir zeigen wieder und wieder auf die Karte, aber der Taximann versteht uns offensichtlich nicht. Nach langem hin- und her erreichen wir unser Appartement. Wir kaufen noch kurz ein paar Sachen im Laden unter uns ein, der nun geöffnet hat. Hier gibt es die besten Pfirsiche, die ich seit langem gegessen habe. Die Früchte entsprechen optisch in keinster Weise dem westeuropäischen Supermarkt- geschweige denn dem EU-Standard, der Geschmack ist jedoch unschlagbar. Die Tomaten müssen wir auf Geheiß der Babuschka direkt mit einer hausgemachten saurer Pflaumensauce probieren. Ein Gedicht ! Es ist zwar alles mit einer feinen Staubschicht bedeckt, aber das kümmert hier Niemand und uns auch nicht.

Abends essen wir im „Schemoichede Ginatswale“ in der Mardshanaschwili-Str., einer Empfehlung von Sandro. Speiskarten gibt es nur auf Georgisch. Es versuchen sich mehrere Kellnerinnen an uns bis schließlich eine Kellnerin lachend verkündet „I’m your english menu !“ und klärt uns über die typischen georgischen Gerichte auf. Die Speisen kommen in nicht zu durchschauender Reihenfolge. Salat mit Wallnußpaste, Kebap, Beef, Aubergine mit Nusscreme, Spinat mit Minze und die Nationalspeise „M’Zwadi“. Vieles mit frischem Koriander gewürzt. Dazu zwei Flaschen leckerer Rotwein (Saperavi). Ein Kind steht auf einmal vor unserem Tisch und kotzt auf den Boden. Den Kellnerinnen ist das extrem peinlich und schrubben alles sofort wieder weg.

Das Ganze Festmahl kosten mit Trinkgeld 140 Lari (etwa 10 Euro pro Person). Draußen regnet es. Wir nehmen ein Taxi (obwohl unser Appartement höchsten drei Kilometer entfernt ist) und schon wieder läuft irgendetwas schief. Wir rasen auf die Schnellstrasse gen Westen. Nach viel rumdiskutieren, Karte zeigen, tanken und telefonieren mit der Schwester des Taxifahrers stellt sich raus, dass wir eine völlig falsche Strasse angegeben haben. Statt Kakelidze-Str. haben wir Kandelaki-Str. gesagt, was auch das Missverständnis mit dem ersten Taxi erklärt. Wir zahlen 20 Lari, denn immerhin waren wir etwa 1h unterwegs.

Autor: Hinrich Brumm